Wally Schirra – Mercury-Astronaut mit Schweizer Wurzeln

Schirra_00Am 10. April 1959 stellte die NASA der Öffentlichkeit die ersten sieben Astronauten vor (Videoclip). Zu ihnen gehörte Walter «Wally» Schirra Jr.

Schirra wurde am 12. März 1923 in den USA in Hackensack, New Jersey, geboren. Seine Wurzeln reichen in die Schweiz zurück. Schirras Grosseltern lebten im Tessin. Im Jahr 1880 verliess sie das Land, um in Amerika das Glück zu suchen. Seine Schweizer Wurzeln und seine Leistungen als Astronaut führten 1973 dazu, dass Walter Schirra jr. zum Ehrenbürger der Tessiner Gemeinde Loco ernannt wurde.

Schirra_02Walter Schirras Vater war Pilot und seine Mutter vollführte als Stunt-Frau in luftiger Höhe auf der Tragfläche von Flugzeugen Kunststücke. Dank seiner Eltern wuchs Schirra buchstäblich mit Flügeln auf. Mit 15 Jahren flog er zum ersten Mal alleine mit dem Flugzeug seines Vaters.

Nach seinem Studium in Luftfahrttechnik war er als Kampfflieger in der US-Marine und flog unter anderem Einsätze im Koreakrieg. Später war Schirra Testpilot, bevor er zusammen mit sechs weiteren Kollegen aus einer Gruppe von 110 Testpiloten als Astronaut für das Mercury-Programm ausgewählt worden ist.

«Raumflug aus dem Lehrbuch»

Walter Schirra jr. unternahm am 3. Oktober 1962 seinen ersten Flug ins Weltall und war damit der fünfte Amerikaner mit Weltraumerfahrung. Einige Sekunden nach dem Abheben drehte sich die Mercury-Atlas-Rakete unerwarteterweise um die Längsachse und führte damit beinahe zum Abbruch des Starts. Doch die Lage stabilisierte sich wieder. Sigma 7 erreichte nach fünf Minuten eine Umlaufbahn mit einer maximalen Flughöhe von 283 km, höher als die bisherigen Mercury-Flüge. Nur der erste Raumflug überhaupt, den Yuri Gagarin mit der Wostok 1 unternommen hatte, hatte eine grössere Höhe erreicht. Mit 7850 m/s stellte Sigma 7 ausserdem einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf.

 

Mit seiner Mercury-Kapsel Sigma 7 umkreiste Walter Schirra jr. sechsmal die Erde. Schirra verstand es, die Raumkapsel sorgfältig und energiesparend zu steuern. Die Wasserung erfolgte mit einer wesentlich höheren Präzision als in den vorangegangenen Mercury-Flügen. Sigma 7 landete nur 9 Kilometer vom Flugzeugträger USS Kearsarge entfernt. Aufgrund des weitgehend pannenfreien Flugs ging die Sigma-7-Mission als «Raumflug aus dem Lehrbuch» in die Geschichte der NASA ein.

Eiserne Nerven

Nach seinem Mercury-Flug bereitete sich Walter Schirra jr. auf sein Kommando auf der Gemini-6-Mission vor. Das neue Fluggerät war etwas grösser als die Mercury-Kapsel und bot zwei Astronauten etwa soviel Platz wie in einer Telefonkabine.

Ursprünglich war geplant, mit der Gemini 6 in der Erdumlaufbahn an eine Raketenstufe zu koppeln. Allerdings wurde der Plan geändert, als die Rakete mit dem Zielsatelliten einen Fehlstart erlitt. Stattdessen sollte jetzt ein Rendezvous mit Gemini 7 durchgeführt werden.

Schirra_Gemini_00Gemini 7 hob mit Frank Borman und James Lovell an Bord am 4. Dezember 1965 in Florida vom Startplatz ab. Am 12. Dezeber sollte Gemini 6 in die Erdumlaufbahn folgen. Doch kurz nach der Zündung schaltete das Triebwerk der Titan-Rakete wieder ab (Videoclip). Walter Schirra und sein Kollege Thomas P. Stafford bewiesen eiserne Nerven; obwohl die Rakete ungesichert auf der Startrampe stand und eine Explosion möglich war, haben die beiden die Schleudersitze nicht betätigt. Nach bangen Minuten konnten die beiden Astronauten die Kaspel wieder verlassen.

Die Startwiederholung am 15. Dezember erfolgte ohne Zwischenfall. Schirra und Stafford näherten sich ihren Kollegen Frank Borman und James Lovell, die mit Gemini 7 schon elf Tage im Orbit kreisten. Schirra manövriert die Kapsel bis auf 30 Zentimeter an das Schwesterschiff heran. Während des Rendezvous funkte James Lovell aus der Gemini 7: «Wie ist die Sicht?». Schirra antwortete: «Ziemlich schlecht. Ich kann durch euer Fenster sehen und sehe euch Jungs da drin.»

«Jingle Bells» aus dem Orbit

Schirra_Gemini_01Nach dem erfolgten Manöver bereitete sich Gemini 6 auf die Rückkehr zur Erde vor. Schirra erschreckte dabei die Bodenkontrolle, als er kurz vor dem Wiedereintritt von einem UFO berichtete, welches er gesehen habe. «Wir haben ein Objekt gesichtet, das sich wie ein Satellit von Norden nach Süden bewegt. Ich sehe ein Kommandomodul und acht kleinere Module, die das Kommandomodul ziehen. Der Pilot trägt einen roten Anzug.» Schirra spielte damit auf den Weihnachtsmann an. Und noch bevor die Bodenkontrolle merkte, dass er einen Witz gemacht hatte, stimmte er mit einer kleinen Mundharmonika und kleinen Glöckchen, die er mitgenommen hatte, das Lied «Jingle Bells» an. Mit seiner Aktion war Schirra übrigens der erste Mensch, der im Weltraum ein Musikinstrument gespielt hat. Die Mundharmonika und die Glöckchen können heute im Smithsonian National Air and Space Museum in Washington bestaunt werden.

Kommander der ersten Apollo-Mission

Nach der erfolgreichen Gemini-6-Mission wechselte Schirra zum Apollo-Programm, das bis Ende der 1960er Jahre einen Menschen auf den Mond bringen sollte. Nach der Apollo-1-Katastrophe, bei der im Januar 1967 bei einem Test alle drei Mitglieder der Mannschaft ums Leben kamen, sollte Schirra zusammen mit Donn Eisele und Walter Cunningham den ersten bemannten Apollo-Flug unternehmen.

Schirra_Apollo7_01Die Apollo-7-Mission startete am 11. Oktober 1968 und blieb elf Tage in der Erdumlaufbahn. Technisch verlief der Flug einwandfrei; so vollzogen die Astronauten ein wichtiges Kopplungsmanöver mit einer leeren Raketenstufe, testeten die Apollo-Kapsel auf Herz und Nieren und sorgten für eine TV-Live-Übertragung. Doch zwischen den Astronauten und Mission Control herrschte eine gereizte Stimmung. Schirra und seine Kollegen waren erkältet. Sie verschoben die geplante Fernsehübertragung kurzerhand und liessen sich nur schwer zu Änderungen im Flugplan überreden. Schliesslich wollten sie beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre die Helme nicht tragen, weil ihnen aufgrund der Erkältung der Druckausgleich schwerfallen würde. Das Verhalten führte schliesslich dazu, dass Schirra und seine Mannschaftskollegen keine weiteren Raumflüge von der NASA mehr bekamen.

TV-Spots für Medikament gegen Erkältung

Schirra hatte bereits vor dem Flug angekündigt, dass Apollo 7 sein letzter Raumflug sein würde. Am 1. Juli 1969 verliess er die NASA und arbeitet fortan in der Privatwirtschaft in verschiedenen Firmen, bevor er ein eigenes Unternehmen gründete. Ausserdem machte er TV-Werbung für das Medikament, welches die Astronauten auf ihrem Flug gegen die Erkältung genommen hatten (Videoclip 1, Videoclip 2, Videoclip 3).

Walter Schirra jr. ist übrigens der einzige Mensch, der in allen drei ersten amerikanischen Raumfahrtprogrammen Mercury, Gemini und Apollo geflogen ist.

Walter Schirra jr. starb am 3. Mai 2007 im Alter von 84 Jahren in La Jolla, Kalifornien.

Bilder: NASA

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